Als der legendäre frühere Intel-CEO Andy Grove 1996 sein Bestseller-Buch „Only the Paranoid Survive“ veröffentlichte, das sich mit der Fähigkeit beschäftigte, technologische Wendepunkte zu erkennen, die ein Unternehmen gefährden könnten, schien die Vorstellung, dass sein eigenes Unternehmen jemals in eine solche Lage geraten könnte, rein theoretisch.
Zu dieser Zeit war Intel der weltweit größte Hersteller von Computerchips, und seine Technologie befand sich in nahezu jedem PC. Groves Mission war es, mehr zu erreichen, als nur Bauteile zu liefern: Intel sollte eine ambitionierte Vision der Zukunft des Computings vorantreiben. PCs sollten für alles genutzt werden – vom Filme schauen und Spielen bis hin zum Speichern von Fotos und dem Kontakt zu Freunden. Intel wollte all diese Entwicklungen antreiben.
Intel mag die Entwicklung des PCs vorhergesehen haben, doch es verpasste die beiden bedeutendsten technologischen Wellen der letzten anderthalb Jahrzehnte: das mobile Computing und den KI-Boom. Fast zwei Jahrzehnte nach Groves visionären Plänen ist Intel heute nur noch ein Schatten seiner früheren Größe.
Verpasste Chancen und ein schwindendes Erbe
Der Aktienkurs von Intel erreichte sein Allzeithoch vor über 24 Jahren, am 31. August 2000. Seitdem ging es bergab – der Kurs ist aktuell um erstaunliche 68 % von diesem Rekordwert gefallen. Im August kündigte das Unternehmen an, 15 % seiner Belegschaft abzubauen, um Kosten in Höhe von 10 Milliarden Dollar zu senken. Im vergangenen Monat verlor Intel zudem seinen Platz im Dow Jones Industrial Average an Nvidia, womit eine 25-jährige Ära zu Ende ging. Intel war eines der ersten Technologieunternehmen, das in diesen renommierten Index aufgenommen wurde.
Am Montag gab Intel den Rücktritt seines CEO Pat Gelsinger bekannt. Gelsinger, ein langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens, galt als Hoffnungsträger, als er vor knapp drei Jahren die Führung übernahm. Doch es gelang ihm nicht, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Nun stellen Investoren und Branchenbeobachter ernsthaft die Frage, ob Intel jemals wieder seine Spitzenposition in der Branche zurückerlangen kann – trotz seiner zentralen Bedeutung für die US-amerikanische Chipproduktion.
„Die Chancen, dass Intel zu seinen Glanzzeiten zurückkehrt, sehen derzeit sehr düster aus“, sagte Angelo Zino, Technologieanalyst bei CFRA Research.
Das Verpassen der mobilen Revolution
Die ersten Anzeichen für Intels schwindende Dominanz wurden um das Jahr 2010 sichtbar. Apples erstes iPhone war drei Jahre zuvor auf den Markt gekommen, und das Unternehmen entschied sich dafür, den Prozessor von ARM, einem damals wenig bekannten britischen Chiphersteller, entwickeln zu lassen.
Bis zu diesem Zeitpunkt galt ARM als kleiner Akteur, der Technologien für Nischen- und Niedrigpreismärkte entwickelte. Doch plötzlich waren mobile Geräte der nächste große Trend und boten den Nutzern viele der Vorzüge eines PCs – und das direkt in der Hosentasche. ARM war bereit und stieg schnell zum Marktführer im Bereich mobiler Chips auf, während Intel diese Welle verpasste.
Dieser Wandel kündigte zudem eine spätere Entwicklung an, die Intel weiteren Schaden zufügte: Apple und andere Gerätehersteller begannen, Intels Prozessoren in einigen PCs durch effizientere, ARM-basierte Chips zu ersetzen.
Intel steht heute vor einer ungewissen Zukunft. Trotz seiner historischen Bedeutung und technologischen Innovationen wird es für das Unternehmen eine enorme Herausforderung, seine einstige Marktführerschaft zurückzuerlangen.